„Das hier behandelte Problem scheint so einfach und fundamental, daß man es längst für erledigt halten sollte.” (Arnold Sommerfeld in [3], S.338)
Motivation
Dieses Projekt wurde durch einen Vortrag von Herrn Prof. Schneider im Sommerfeld-Seminar und einen in [1] veröffentlichen Artikel angeregt. Es sollen u. a. die historischen Beiträge von Arnold Sommerfeld und seines Schülers Léon Brillouin zum Verständnis der Signalausbreitung ebener elektromagnetischer Wellen in dispersiven (dispergierenden) Medien, d.h. in Stoffen mit frequenzabhängigem Brechungsindex, hervorgehoben werden. Dazu verfaßten Sommerfeld in den Jahren 1907 bis 1914 [2–4] und Brillouin im Jahre 1914 [5] grundlegende Arbeiten, die auch heute noch von Bedeutung und lehrreich sind.
In optischen Medien ist das Ausbreitungsverhalten von Licht im stationären Zustand durch das Brechungsverhalten beobachtbar, wobei normalerweise der Brechungsindex mit der Frequenz zunimmt. Jedoch beobachtete man bereits im 19.Jahrhundert für bestimmte Substanzen in einem gewissen Frequenzbereich ein abweichendes, anomales Dispersionsverhalten. Insbesondere kann in diesen der Brechungsindex kleiner als eins werden, womit die Phasengeschwindigkeit größer als die Vakuumlichtgeschwindigkeit wird. Dadurch stellte sich die Frage, ob die Ausbreitung einer Wirkung bzw. von Energie im Raum mit Überlichtgeschwindigkeit möglich wäre, was dann aber mit der Relativitätstheorie von Albert Einstein im Widerspruch stehen würde. Sommerfeld erkannte bereits 1907 [2] die volle Tragweite der Theorie Einsteins an und entwickelte eine für die Signalausbreitung elektromagnetischer Wellen adäquate Formulierung, indem er hierfür eine komplexzahlige Integraldarstellung verwendet, deren Eindeutigkeit er später mit Hilfe der Energiebilanzgleichung der Elektrodynamik beweist und die zugleich das geforderte Kausalitätsprinzip der Relativitätstheorie erfüllt.
Abbildung: Sommerfeldscher Vorläufer – der von einem idealen Detektor, nach dem Durchgang durch ein resonantes Medium in einer gewissen Entfernung (z.B. 1 cm), anfänglich erfasste Signalverlauf (z.B. in Attosekunden gemessen), hervorgerufen durch eine plötzlich einsetzende, sinusfömige Anregung mit der Amplitude 1. Die Augenblicksfrequenz des Vorläufersignals ist anfangs größer als die stationäre Anregungsfrequenz. Erst nach einer Übergangszeit, begleitet durch weitere (Brillouinsche) Vorläufer, wird diese asymptotisch erreicht. Auch die Phase des Signals erlangt erst dann einen stationären Zustand und damit der (optische) Brechungsindex einen definierten Wert.
Video: Ausschnitt aus der zeitlichen Entwicklung des Realteils der komplexzahligen Phasenfunktion (Phasenporträt) sowie der Sattelpunkte (weiße Kreuze) in der komplexzahligen Frequenzebene nach Brillouin gemäß der Lorentzschen Dispersionstheorie für einen Resonatortyp.
Literatur
[1] Thévenaz, L.; Schneider, T.: Der Licht-Turbo – mehr Tempo für Datennetze. Spektrum der Wissenschaft (2) 2012, S. 48–56.
[2] Sommerfeld, A.: Ein Einwand gegen die Relativitätstheorie der Elektrodynamik und seine Beseitigung. Physikalische Zeitschrift 1907 (8), No. 23, S. 841–842.
[3] Sommerfeld, A.: Über die Fortpflanzung des Lichtes in dispergierenden Medien. In: Festschrift Heinrich Weber zu seinem siebzigsten Geburtstag am 5. März gewidmet von Freunden und Schülern. B. G. Teubner 1912, S. 338–374.
[4] Sommerfeld, A.: Über die Fortpflanzung des Lichtes in dispergierenden Medien. Annalen der Physik 1914 (10), Band 349, S. 177–202.
[5] Brillouin, L.: Über die Fortpflanzung des Lichtes in dispergierenden Medien. Annalen der Physik 1914 (10), Band 349, S. 203–240.