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Mustererkennung, Synergetik und der GangEine erfolgreiche Entwicklung der Synergetik besteht in der Erkenntnis, daß Mustererkennung als Musterbildung aufgefaßt werden kann. Erkenntnisse der Synergetik dürfen somit auf die Mustererkennung und die Konstruktion zugehöriger Computer angewendet werden. Das Muster versteht man hier nicht im Sinne eines Strickmusters, sondern allgemein als Anordnungen (und deren zeitlichen Änderungen) von Objekten zueinander, wobei Objekte Grauwerte in einem Bild oder Töne sein können. Es leuchtet dabei ein, daß genau das gleiche Vorgehen auf ganz verschiedene Gegenstände anwendbar ist: Gangarten, Spuren in der Kriminalistik, der Kulturgeschichte oder der Archeologie. Was bedeutet aber die Mustererkennung des Ganges, der Spur oder des historischen Materials als Ganzes? Wir wollen darunter verstehen, daß wir auch einen Teil des Musters zu einem ganzen Muster ergänzen und sogar die zugehörige Bezeichnung nennen können. Diese Eigenschaft nennt man assoziatives Gedächtnis. Das Gedächtnis soll desweiteren durch einen dynamischen Vorgang repräsentiert werden. Den Schlüssel hierzu liefert die Wahrnehmung von Kippfiguren und die zugehörige Potentialdarstellung (siehe Abb. 1). Je nachdem, ob wir dem einen oder anderen Bild eine Vorzugs-interpretation geben, wird der entsprechende Punkt im Potential V in das entsprechende Minimum Vase bzw. Gesicht hineingezogen. Zum Aufbau der zugehörigen Dynamik wird die folgende Analogie zwischen Musterbildung und -erkennung genutzt (siehe Abb. 2). |
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linke Spalte: Abb. 2. Analogie zwischen Musterbildung (links) und Mustererkennung (rechts) Abb. Hystereseeffekt beim Sehvermögen. Man betrachte das Bild zunächst von der oberen linken bis zur unteren rechten Abbildung und dann in der umgekehrten Richtung. Man erkennt, daß der Übergang je nach Richtung bei verschiedenen Punkten erfolgt. Abb. Zerlegung eines Bildes in einzelne Zellen („pixels“) Mitte: Abb. 1. Gebrochene Symmetrie beim Sehvermögen. Konzentriert man die Aufmerksamkeit auf das Zentrum und faßt es als Vordergrund eines Bildes auf, erkennt man eine Vase. Im anderen Fall zwei Gesichter. rechte Spalte: Abb. 3a. Stroboskopische Rekonstruktion der Stabfigur Abb. 3b. Eine Bewegung von Punkten im stroboskopischen Bild (Stabfigur) Abb. Die Definition der Winkel zwischen den einzelnen Gliedmaßen |
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untere Zeile: Abb. Beispiel für Prototypen für Mustererkennung Abb. Der Computer ergänzt einen vorgegebenen Buchstaben zum Gesicht plus Buchstaben, sowie den Teil des Gesichts zum Ganzen plus Buchstaben, der den Namen codiert. Abb. Für negative Aufmerksamkeitsparameter verschwindet ein vorgegebenes Gesicht. |
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Bei der Mustererkennung im Sinne eines assoziativen Gedächtnisses gibt man einen Satz von Merkmalen (Teilmuster) vor; dieses Teilsystem schafft sich im Erkennungssystem, z. B. im Computer oder im menschlichen Gehirn, seinen Ordnungsparameter, der den Wettkampf mit den anderen Ordnungsparametern anderer Muster gewinnt und so das gesamte Muster herstellt. Menschen können gehen, laufen, springen, tanzen und im Krankheitsfall hinken u. a. m. In allen Fällen sind die Bewegungen der Gliedmaßen in spezifischer Weise miteinander koordiniert. Wir können zwischen verschiedenen Gangarten unterscheiden und sogar einen Menschen in der Ferne an seinem Gang erkennen. Im Experiment werden die Probanden mit Leuchtpunkten versehen und so ihr Gang sichtbar gemacht und auf dem Film gespeichert (siehe Abb. 3). Mit dem synergetischen Computer lassen sich schon feine Unterschiede in den Bewegungs- und Gangmustern feststellen. Wie dieser Erkennungsprozeß beim Menschen abläuft, weiß man noch nicht genau, aber erste Ergebnisse, erzielt mit synergetischen und Neurocomputern, liegen für einfache Modelle schon vor. |
© 2015 Dr. Uwe Renner |